Zu unserem Beitrag über Vitamin D in den Urheimischen Notizen 04/2018 erreichten uns zahlreiche Nachfragen, die wir auch an dieser Stelle beantworten möchten:
Dr. Pandalis ist nicht dafür bekannt, die Mehrheitsmeinung blind nachzubeten, sondern dafür, den Finger in die Wunde zu legen. An dem (Pro-) Hormon, das allgemein als Vitamin D bezeichnet wird, haben wir kein unternehmerisches Interesse: Wir verdienen nichts daran, weil wir kein derartiges Produkt verkaufen, und wir verlieren nichts, wenn jemand dafür sein Geld ausgibt. Ähnlich verhält es sich bei unserer Ablehnung der dubiosen Richtlinien zum Cholesterin und der pauschalen Empfehlungen, drei Liter Wasser am Tag zu trinken und auf Salz zu verzichten. Unbefangen konnten wir als Pioniere all das öffentlich anprangern. Unser Anliegen war und ist dabei schlicht, unsere Leser über das zu informieren, was die Marketing-Maschinerie der Mehrheitsmedien unterschlägt. Anders als für deren Verantwortliche besteht für uns keinerlei Interessenkonflikt. Daher können wir nach bestem Wissen und Gewissen berichten, was wir beim Blick über den Tellerrand erkennen und für wichtig erachten.
Ist Vitamin-D-Supplementierung, d. h. eine Hormonsubstitution, der Gesundheit förderlich? Das läßt sich nicht seriös behaupten. Beispielhaft seien hier die Ergebnisse der großangelegten und sehr aktuellen VITAL-Studie genannt, die im November 2018 veröffentlicht wurden. In der Studie wurden 25.871 gesunde Männer und Frauen untersucht, die täglich entweder 2.000 I.E. Vitamin D oder Placebo einnahmen. Im Vergleich zur Placebo-Einnahme konnte durch die Vitamin-D-Einnahme das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs nicht gesenkt werden. Eine Vitamin-D-Gabe ist zur Prävention dieser Erkrankungen damit ungeeignet. [1]
Warum wird unter Berufung auf Studien trotzdem immer wieder behauptet, daß ein hoher Vitamin-D-Spiegel vor Krankheiten schütze? Das ist eine Fehlinterpretation einer anderen Art von Studien, den sogenannten retrospektiven Studien. Dabei werden rückblickend Korrelationen festgestellt, die sich so zusammenfassen lassen: Menschen, die einen hohen Vitamin-D-Status aufweisen, erkranken seltener als Menschen, die einen niedrigen Vitamin-D-Status aufweisen, beispielsweise an Schilddrüsenkrebs. [2] Die festgestellte Korrelation ist aber keine Kausalität, und dieser Unterschied ist wesentlich: Der niedrige Vitamin-D-Spiegel und die Erkrankung können beide zusammenhangslos oder beide die Folge eines anderen Defizits sein. Menschen, die sich um ihre Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel sorgen, leben insgesamt evtl. gesünder als andere und bewegen sich mehr – und weisen vielleicht deswegen einen höheren Spiegel an allen möglichen Vitaminen und Nährstoffen auf. All das kann die Korrelation von Krankheit, Gesundheit und Vitamin-Spiegeln erklären, spricht aber nicht für eine ursächliche Rolle des Vitamin D als Krankheitsschutz.
Was sagt ein einzelner Laborwert überhaupt aus? Generell sind abstrakte und isoliert betrachtete Meßwerte ungeeignet, den Gesundheitsstatus eines Individuums einzuschätzen. Ein Beispiel: Trotz eines im Mittel niedrigeren Vitamin-D-Spiegels bei Afroamerikanern ist deren Knochendichte durchschnittlich höher und das Risiko osteoporotischer Frakturen niedriger als bei Amerikanern mit europäischen Vorfahren. [3] Die Aussagekraft des Vitamin-D-Spiegels wird durch solch eine Statistik also genau in das Gegenteil der derzeit populären Werbung verkehrt.
Dies alles verdeutlicht, daß der Laborwert allein nicht die Frage beantworten kann, ob und wieviel Vitamin D jemand benötigt. Unsere vorsichtige Empfehlung lautet, daß jeder Gesunde, der jeden Tag 10-15 Minuten zur Mittagszeit an der frischen Luft verbringt, frei von Sonnencremes und mit möglichst viel freier Haut, gut versorgt ist. So bilden Menschen des Hauttyps II bei Exposition nur von Gesicht, Hals, Händen und Armen innerhalb von nur 5 Minuten 25 µg Vitamin D während der Sommermonate. [4] Damit liegen wir bereits binnen kürzester Sonnenzeit über den Empfehlungen der DGE, die Erwachsenen bei gänzlich fehlender endogener Synthese 20 µg täglicher Vitamin-D-Zufuhr anrät. [4] Bis vor kurzem lag diese Empfehlung noch bei nur 5 µg, also deutlich niedriger. [5] Produzieren wir den doppelten Bedarf und ernähren wir uns außerdem ausgewogen, sind wir durch unseren körpereigenen Speicher auch für die Wintermonate ausreichend versorgt.
Längeres Sonnenbaden schadet nicht, hilft aber auch nicht mehr: Die Produktion von Vitamin D verläuft mehrstufig und unterliegt in jedem Reaktionsschritt einem Gleichgewicht. Dabei ist limitierend, daß das Prävitamin D3, seine Vorstufe 7-Dehydrocholesterol und das Vitamin D3 selbst alle photolabil sind. Dies führt dazu, daß eine längerfristige Bestrahlung mit Sonnenlicht die D3-Synthese nicht erhöht. Es reagiert zu unwirksamen Produkten, bevor es ins Blut abtransportiert werden kann. [6] Dadurch und durch die Melaninbildung ist der Organismus von Natur aus vor einer Vergiftung mit D3 durch Sonnenstrahlung geschützt.
Aus urheimischer Perspektive ist es stets das Beste, der Natur nicht ins Handwerk zu pfuschen. Wir raten daher dazu, keine künstliche Vergiftung durch die Einnahme synthetischer (Pro-) Hormone zu riskieren. Die moderne Wissenschaft ist entgegen häufiger Selbstdarstellung nicht dazu in der Lage, die komplexen biochemischen Prozesse unseres Körpers vollständig zu durchschauen. Somit sind auch die Folgen einer Vitamin-D-Supplementierung für diverse Rückkopplungsmechanismen und Effektkaskaden nicht absehbar.
Vor krassen Überdosierungen (siehe UHN 4/2018) können uns weder behördliche Dosisvorschriften noch Packungsbeilagen schützen. Das schafft nur die eingehende Beratung durch kritische Ärzte und Heilpraktiker, die den Menschen als komplettes Wesen auffassen und mit all seinen Lebensumständen betrachten.
Quellen
[1]
Manson JAE et al.: Vitamin D Supplements and Prevention of Cancer and Cardiovascular Disease. In: N Engl J Med 2019; 380:33-44
DOI: 10.1056/NEJMoa1809944
[2]
Zhao J et al.: Vitamin D deficiency as a risk factor for thyroid cancer: A meta-analysis of case-control studies. In: Nutrition. 2019 Jan;57:5-11.
DOI: 10.1016/j.nut.2018.04.015. Epub 2018 Jun 2.
[3]
Powe CE et al.: Vitamin D–Binding Protein and Vitamin D Status of Black Americans and White Americans. In: N Engl J Med 2013; 369:1991-2000
DOI: 10.1056/NEJMoa1306357
[4]
Zittermann A, Pilz S: Vitamin D in Klinik und Praxis. In: Aktuel Ernahrungsmed 2016; 41(04): 300-316.
DOI: 10.1055/s-0042-110724
[5]
DGE: Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Frankfurt am Main 2000.
[6]
Holick MF: Environmental factors that influence the cutaneous production of vitamin D. In: Am J Clin Nutr. 1995 Mar;61(3 Suppl):638S-645S.
DOI: 10.1093/ajcn/61.3.638S